Buchladen „Kohsie“

Am 16.04.2021 hatte der gemütliche und kleine Buchladen „Kohsie“ in Halle seinen ersten Tag. Dieser wird von einem netten, aufgeschlossenen und jungen Ehepaar betrieben. Sie hatten die Idee, einen Laden zu eröffnen mit ausschließlich weiblicher und diverser Literatur. Im Online-Shop kann man auch Bücher vorbestellen oder sogar nach Hause liefern lassen. In Beiden Fällen, Shop und Buchladen gibt es eine große Auswahl zwischen Fantasy, Liebesromanen, Kinderbüchern, Kochbüchern, Krimi etc.

Mein Besuch in Kohsie war sehr schön. Sarah und Danny waren sehr freundlich und haben auch fröhliche und nette Gespräche mit ihren Kunden geführt. Der Buchladen ist sehr gemütlich eingerichtet und hat bei mir sofort für ein wohliges Gefühl gesorgt. Auch die Bücher waren sehr ansprechend. Am liebsten hätte ich gleich den ganzen Laden leer gekauft.

Ich kann den Buchladen auf jeden Fall weiterempfehlen!

Interview:

  • Hallo, Sarah und Danny! Danke, dass Ihr beide Zeit habt, ein paar Fragen bezüglich Eures Buchladens Kohsie zu beantworten. Möchtet Ihr erstmal etwas zu Eurer Person erzählen?

Sarah: „Hallo Sarah, danke erst mal für die Chance, dieses Interview zu geben und ein bisschen was über Kohsie und über uns selbst zu erzählen. Kohsie ist mein Traum, den ich mir erfüllt habe. Das Lesen und die Liebe zur Literatur begleiten mich schon mein Leben lang. Bücher, oder die Charaktere darin, waren oft wie Freunde für mich und haben mir auch Hoffnung und Halt gegeben in Zeiten, in denen es mir nicht so gut ging. Beruflich habe ich vor Kohsie über 16 Jahre in der Automobilindustrie gearbeitet. Als Frau in einer, immer noch, vermeintlichen „Männerbranche“ wurde ich mit Sexismus konfrontiert und als PoC zusätzlich noch mit Rassismus. Aber auch darüber hinaus spürte ich mehr und mehr, dass dieser Job nicht mehr zu mir passt. Ich wollte raus aus einem System mit starren Hierarchien und festgefahrenen Prozessen. Ich wollte etwas tun, wo ich wirklich dahinterstehen konnte, etwas, was ich wirklich liebte. Also habe ich all meinen Mut zusammengenommen und Ende 2019 meine alte Firma im Rahmen eines Abfindungsprogramms verlassen, um mich als Einzelhändlerin selbstständig zu machen.“

Danny: „Passenderweise stand genau zur selben Zeit auch bei mir ein beruflicher Umbruch an. Als mir meine Frau von ihren Plänen erzählte, war ich daher recht schnell davon begeistert und wusste: Dabei möchte ich sie unterstützen. Als gelernter Kaufmann im Einzelhandel brachte ich auch das nötige Fachwissen und die Erfahrung mit, um meiner Frau den Rücken zu stärken und den Traum wahr werden zu lassen.“

  • Das klingt sehr schön und ich denke es ist eine wunderbare Idee gewesen! Durch eine Freundin bin ich auf Euch aufmerksam geworden. Nachdem ich ein bisschen durch Eure Website und den Shop gestromert bin, war ich begeistert von Eurer Idee, einen Buchladen nur mit Büchern von Frauen und diverser Literatur zu eröffnen. Viele Menschen werden mir hier sicher auch zustimmen. Abgesehen von Eurer großartigen Idee seid Ihr auch sehr nett und aufgeschlossen! Doch wie seid Ihr denn überhaupt auf die Idee gekommen, diesen Buchladen zu eröffnen?

Sarah: „Eigentlich sah das Konzept für meinen Laden Anfang 2020 noch ganz anders aus. Aber dann kam die Corona-Pandemie so richtig in Fahrt und an die Eröffnung eines Einzelhandels, mitten während des 1. Lockdowns, war erst mal nicht zu denken. Also hab ich beschlossen, mir die Zeit zu nehmen wirklich zu planen, was genau ich machen möchte, wie mein Konzept für den Laden genau aussieht und welche Produkte ich verkaufen möchte. Im Nachhinein war dies die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, da sich in diesem Jahr des Planens mein Konzept reifen konnte und sich mehr und mehr verdichtet hat. Anfang 2021 zeichnete sich dann kohsie ganz klar vor meinem inneren Auge ab und ich wusste: Das ist es!“

Danny: „Ich bin gebürtiger Hallenser und Ende 2020 sind wir aus familiären Gründen nach Halle umgezogen, eine Entscheidung die Anfang des Jahres auch noch nicht abzusehen war. Aber plötzlich fühlte es sich noch mehr an, als ob wir jetzt am richtigen Ort angekommen waren. Als Sarah mir dann im Januar 2021 die Idee für kohsie präsentierte, einer Buchhandlung nur für weibliche und diverse Literatur, dachte ich zwar kurz drüber nach, aber wusste: Da bin ich dabei.“

  • Hattet Ihr denn schon vor dem Buchladen einen Job in diesem Bereich oder ist es etwas ganz Neues für Euch? Quasi ein neuer Lebensabschnitt?

Sarah: „Für mich ist das etwas komplett Neues. Ich war lange Jahre als Angestellte in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis angestellt. Ich hatte keine Entscheidungsgewalt, sondern führte festgelegte Prozesse aus, die teilweise meinen Werten entgegenstanden oder mir schlicht sinnlos vorkamen. Ich musste mich Chefs unterordnen, Sexismus und Rassismus aushalten und wurde trotzdem als Frau ständig unterschätzt und übergangen. Zwar war jeden Monat mein Gehalt sicher und pünktlich auf meinem Konto, dafür brannte ich innerlich total aus und brach auch mehrmals zuhause völlig zusammen. Nur um mich wieder aufzurappeln und doch am nächsten Tag wieder zur Arbeit zu gehen um zu funktionieren. Daher ist diese Selbstständigkeit ein großer Schritt ins Ungewisse für mich, aber es bedeutet für mich auch Freiheit und Heilung. Ich liebe meine Arbeit und das, was ich tue, jetzt und freue mich jeden Tag auf einen neuen Tag im Laden.“

Danny: „Ich bin wie gesagt gelernter Kaufmann im Einzelhandel und war danach einige Jahre selbstständig als Geschäftsführer eines Lebensmittelimports. Doch auch bei mir stellte sich mehr und mehr die Sinnfrage. Welchen Wert hat meine Arbeit? Verändert das, was ich tue die Welt zum Besseren? Leider war die Antwort in Bezug auf meine Tätigkeit; nein tut es nicht.“

  • Sarah, Du hattest ja über ein Jahr nur Bücher von Frauen und diverser Literatur gelesen. Wie kam es dazu, keine Bücher von männlichen Autoren zu lesen?

Sarah: „Inspiriert dazu wurde ich durch eine Frau bei Instagram, die zu einer Challenge aufgerufen hat, ein Jahr lang nur Bücher von Frauen zu lesen, aber dafür von Autorinnen rund um die Welt. Zuerst war ich skeptisch, aber als ich mich mit der Literaturauswahl beschäftigte, die sie regelmäßig auf ihrem Kanal postete, erkannte ich erst die Vielfalt. Sie nannte so viele Autorinnen, von denen ich noch nie gehört hatte. Es war eine unglaubliche Erweiterung meines Lesehorizonts und Zerstörung meiner eigenen Vorurteile. Frauen schreiben nämlich längst nicht nur (Liebes-)Romane, sondern sind in jedem Genre, inklusive Science-Fiction und Horror, vertreten und ihre Bücher stehen denen von männlichen Autoren in nichts nach. Sie sind leider oft nur weniger bekannt.

  • Wie lange habt Ihr mit den Vorbereitungen gebraucht oder müsst Ihr immer noch viel erledigen?

Sarah: „Die Vorbereitungen begannen wie gesagt tatsächlich schon Ende 2019, aber es hat viele Gespräche und viel Nachdenken und Reflexion gebraucht, bis kohsie entstanden ist. Anfang des Jahres 2021 war es dann klar, es wird die 1. Diversity Buchhandlung in Mitteldeutschland. In den folgenden 3 ½ Monaten ging die Vorbereitung dann richtig los. Ladenlokal finden und einrichten, Gewerbeanmeldung, Vertragsverhandlungen mit Lieferanten und Großhändlern, Sortimentsauswahl, usw. Im Rückblick war es schon viel und ich wundere mich manchmal, wie wir das in der kurzen Zeit geschafft haben. Aber ich glaube unsere Leidenschaft für das Projekt hat uns da jede Menge zusätzliche Energie gegeben.“

Danny: „Es ist ein bißchen wie mit uns Menschen in Beziehung zu unseren Kindern. Die Dinge, die bis zur Geburt wichtig sind, um ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, unterscheiden sich doch fundamental von dem, was nach der Geburt an Aufgaben auf uns wartet, damit es gesund und glücklich heranwächst.“

  • Momentan gehen ja viele Einzelhändler wegen Covid-19 bankrott. Euer Online-Shop wird Euch da sicher eine große Hilfe sein. Habt ihr bezüglich eures Buchladens wegen Corona trotzdem Bedenken?

Sarah: „Klar hab ich Bedenken, ob kohsie funktionieren wird, ob wir uns halten und etablieren werden oder ob in 1-2 Jahren alles wieder vorbei ist. Aber ich wusste auch, die Idee musste aus meinem Kopf. Ich würde es ewig bereuen, wenn ich es nicht tun würde und mir ständig die Frage stellen: Was wäre gewesen, wenn? Jetzt hab ich es versucht und vielleicht werde ich irgendwann scheitern, aber ich bin mit mir selbst im Reinen und sehr glücklich, weil ich es einmal tatsächlich getan habe. Das kann mir niemand mehr nehmen.“

Danny: „Keine noch so sorgfältige Planung eines Buchgeschäftes kann ein Ereignis, wie eine Pandemie berücksichtigen. Momentan dürfen wir als Buchhandel in Sachsen-Anhalt ganz normal geöffnet haben. Wäre das nicht so, säßen wir heute vielleicht nicht hier. Uns trifft Corona also direkt weniger hart als andere Branchen.“

  • Zum Schluss würde ich Euch bitten, Euer momentanes Lieblingsbuch aus „Kohsie“ kurz vorzustellen? .

Sarah: „Ich lese grade das Sachbuch Why we matter – von Emilia Roig und muss gefühlt alle paar Seiten innehalten und über das Gelesene nachdenken, weil ich es so gut finde. Es erinnert mich so oft selbst an meine eigene Geschichte, aufgewachsen als PoC in einer weißen Familie, nie wirklich ganz sicher, wo ich gesellschaftlich hingehöre, weder richtig weiß noch Schwarz. Mit einer Familie, die sich nie selbst wirklich mit dem Thema Rassismus beschäftigt hat und einer deutschen Gesellschaft, die das erst auch erst so langsam tut. Ich musste all meine Erfahrungen selbst verarbeiten und überwinden, habe einen langen Weg hinter mir um zu meiner eigenen Identität zu finden. Emilia spricht das in diesem Buch sehr treffen an, basierend auf ihrer eigenen Geschichte. Daneben erklärt sie aber auch die gesellschaftlichen Aspekte in Bezug auf Rassismus in Deutschland (und in ihrem Fall auch Frankreich), spricht aber auch die Themen Sexismus, Intersektionalität und einiges mehr an. Für mich ist dieses Buch eine absolute Entdeckung.“

Danny: „Mein aktuelles Lieblingsbuch ist Anna Jones – A Modern Cook´s Year; Es ist ein vegan-vegetarisches Kochbuch in deutscher Sprache, dass mir unheimlich gut dabei hilft, vorwiegend mit saisonalen Zutaten zu kochen, ohne einen ganzen Saisonkalender für Obst & Gemüse im Kopf zu haben oder jedes Mal danach zu recherchieren. Außerdem sind die Entstehungsgeschichten oder Herkünfte der Rezepte wunderschön von Anna beschrieben, leicht nachzukochen und gelingen mir (fast) immer 😉.“